Handke, Peter, Schriftsteller (geb. 1942).

4 eigenhändige Briefe mit Unterschrift sowie 2 eigenh. Ansichtskarten mit Unterschrift Chaville, 17. I. 1996 bis 29. IX. 1999, Verschied. Formate Zus. ca. 6 Seiten. Mit 6 eigenh. Umschlägen.

Nicht vorrätig

Beschreibung

Schöne und interessante Briefe an den Schriftsteller und Radfahrer Eberhard Schleenvoigt in Klagenfurt, über dessen Schreibversuche. – I. „[…] schon lange will ich Ihnen sagen, wie sehr mich Ihr herzlicher Brief (noch dazu aus der mir nicht gar herzlichen Stadt Klagenfurt) gefreut hat. Einmal im Jahr bin ich ja in meiner (?) Gegend, immer so um den 15. August herum, dem Kirchenfest. Vielleicht also, so das Geschick einverstanden ist? – Ich habe seit meinem letzten Geburtstag auch wieder ein Fahrrad, ein altes, robustes, holländisches – nun warte ich auf Vorfrühlingslicht, um damit nach Versailles und weiter zu fahren […]“ – II. „[…] ihre Texte haben mir beide viel gegeben, besonders der über ihren Vater, der geht tief und ist erstaunlich, wie eine Novelle, eine unerhörte Geschichte (mehr als bloß Begebenheit). Ich konnte Ihnen nicht antworten – wollte! -, hatte ihre Adresse vertan. Und heute lugte sie aus dem Kram, der mich bedrückt […]“ – III. „[…] Bei aller Sympathie für Ihre Unternehmung und, in manchem, auch die Weise der Durchführung: Sie tun nicht recht daran, die Problematik des Publizierens – sicher wurde Ihr Text kaum angelesen, so ist es halt bei vielen Verlagen – nun mir aufzubürden. Die Gründe brauche ich Ihnen nicht zu nennen. – Und gewiß gäbe es einen Weg, Ihre Geschichte greifbarer zu machen: das zahlreiche Blumige weglassen; bei der Sache, den Bildern, den Dingen, den Menschen bleiben und so jeweils das kleine oder große Problem darlegen. Und nun Rad ahoi! […]“ – IV. „[…] bei aller Teilnahme und in Anbetracht ihrer Überempfindlichkeit: der Radtext ufert gar aus oder, verzeihen Sie, er eiert, oder: hat keine Sprachlinie. Andrerseits kann ich streckenweise schön mit- und nachfühlen. Ihr Problem scheint ein Lebensgeschichteproblem (das auch mir nicht fremd ist): in einer gewissen Periode de la vida kommt, durch Einsamkeit? Sauerampfer?, etwas heraus, was keine Antwort in der Gesellschaft findet und so, chemisch od. Physikalisch, übersteigert sich dieses Etwas selber, und wenn die Sprache nicht folgt, heißt das: Wucherung auch Megalomanie. Sie sind davon gefährdet – so: ganz und gar bei den Sachen bleiben, nur so lyrisch werden, im Vorbeigehen (-radeln). Nichts für ungut […]“ – V. „[…] mit Ihrer Schilderung vom Bau haben sie mir eine Freude und auch Bedrückung bereitet; vieles habe ich wiedererkannt von da und dort, den Baustellen meiner Jugend (nicht so arg wie bei Ihnen!), der Autobahnbaustelle, wo ich 1980 meinen Bruder besuchte, bei Eisentratten [in Kärnten], 3 oder 4 Tage lang – jetzt fährt sich’s ‚traumhaft‘ drüber weg, hoch überm windigen Tal und der Sing-, Sauf- und Jammerbaracke, wo ich mit den anderen schlief, brummköpfiger wohl als sie. Es gibt noch und noch traurig-herzliche Stellen in Ihrem Text: die vom ‚Albaner‘; die, wo Sie vom Löten erzählen; das Ende mit dem Straßenfest; das Fangenspielen der ‚Baraber‘; manchmal verderben Sie ihre Sache, indem Sie sich einmischen (das ginge noch) und urteilen – was dann wieder geht, wenn der Schmerz des Urteilers spürbar wird. Bitte: anderen Titel finden, nicht so einen flapsigen … Fast menschlich wird auch der jämmerlich-despotische Vorarbeiter, wenn er Sie um Geburtstagsgeld schickt für seinen Sohn. Und die schöne Beschreibung des Gasflaschenjonglierers: viel mehr solche Luft gehört noch in Ihren Text. Den Skinhead spürt man hand-, faustnah, und spürt dann noch anderes, das Sie leider nicht vorbringen (= Luft). Vorsicht auf sprachl. Sichgehenlassen: ‚plärrende‘ Roadies, das Arbeiten ‚tröpfelt in einem chaotischen Wirrwarr dahin‘, usw. Gefühl, Schärfe, Reinheit, samt Schmutz. – Jedenfalls danke; vielleicht sind Sie in der eher kurzen Distanz auch eher in Ihrem Element? […]“ – VI. „[…] Schonungslosigkeit – recht, aber dann auch gegen sich selber. Ihr Text zur ‚Frau‘ und zum ‚Autisten‘ ermangelt dessen völlig, und er empört mich in seiner unförmigen Herzlosigkeit. Das ist kein Schreiben; dieses ist Instanz; um nicht gleich ‚Gerichtstag über sich selbst‘ zu sagen. Sie sind weit weg von der Wahrhaftigkeit und deren Schwung; ihr Text hat den falschen, ziemlich miesen Schwung der Exhibitionisten in den TV-Shows. Ohne (kreatürliche) Bescheidenheit und (Schübe von, Antriebe von) Demut (ja!) geht es nicht […]“ – Briefe von Peter Handke sind im Handel von größter Seltenheit.