Schweitzer, Albert, Mediziner und Nobelpreisträger (1875-1965).

Eigenhändiger Brief mit Unterschrift Lambarene, 12. VIII. 1958, Fol. 2 Seiten auf 2 Blättern. Dünnes Luftpostpapier. Mit eigenhändigen Umschlag und Frankatur.

Nicht vorrätig

Beschreibung

Faszinierender Brief an den Mediziner Johannes Bergner in Stuttgart, einen ehemaligen Mitzögling im sog. Straßburger Stift, mit Erinnerungen an die Stiftszeit und an Paris: „[…] Jetzt geht alles glatt, nur dass mein Spital leider zu groß wird. Mein letztes Abenteuer ist, dass ich in dem Antiatomkampf mitmache. Das ist so gekommen: ich war mit Einstein befreundet schon in einer Zeit als wir noch relativ jung waren und habe dann mit ihm erlebt, wie ihn die Angst um die Zukunft der Menschheit im Atomzeitalter quälte und ihn zwang die Menschheit anzuflehen, sich der Atomwaffen zu entledigen. Er litt furchtbar darunter, dass man seiner Warnung kein Gehör schenkte. Die Presse gab ihr keine Beachtung. Er starb [1955] in Verzweiflung. Da entschloss ich mich, mit anderen, sein Kämpfen gegen Atomwaffen und Versuchsexplosionen aufzunehmen und fortzusetzen. Dabei kam mir zustatten, dass ich in Physik Kenntnisse besaß und als Arzt mir ein fachmänniges Urteil über die Folgen der radioaktiven Verseuchung der Atmosphäre und der Erdoberfläche zumuten konnte. In die vordere Reihe der Kämpfenden wurde ich dadurch geschoben, dass mir als Träger des Friedensnobelpreises, das parlamentarische Nobelkomitee und Radio Oslo mir das Privileg zugestehen an diesem Sender in voller Freiheit über alle den Frieden angehenden Probleme zu sprechen, wobei Oslo noch viele (90) Sender in der Welt zum Mitmachen bewegt. So muss ich nun täglich viele Zeit darauf verwenden über das Wissenschaftliche und Politische des Atomproblems auf dem Laufenden zu bleiben, was nicht nur viel Zeitungsdurchfliegen sondern auch eine große Korrespondenz mit sich bringt. In der Beschäftigung mit dem Problem bin ich darauf gekommen, das Argument dass Atomwaffen gegen das Völkerrecht sind, in gröblichster Weise, in der Auseinandersetzung geltend zu machen und als Parole in dem von allen Völkern gegen Atomwaffen zu führenden Kampf aufzugeben. Ich tue es in ‚Friede oder Atomkrieg‘, der meine 3 letzten Oslo-Appelle enthaltenden Broschüre, die in einer Reihe von Ländern und Sprachen erschienen ist. Für die Atomstaaten ist es sehr schwer sich gegen dieses elementare Argument zu verteidigen, weil alle Kultur- und Halbkultur starten in ihrer Verfassung eine Verpflichtung eingefügt haben sich in allem an das Völkerrecht zu halten und es in keiner Weise zu verletzen … Es ist unbegreiflich, dass sich die Jesuiten nicht schon mit dieser Frage beschäftigten. Aber die Auseinandersetzung mit diesem unwiderlegbaren Argument kommt bereits in Gang, in England und Amerika […] Sie haben ein ruhiges und ich ein sehr unruhiges Alter. Die Zeit die ich auf die Fertigstellung des dritten Bandes meiner Philosophie verwenden wollte muss ich nun dem Antiatomkampf widmen. Aber ich tröste mich dann damit, dass der Kampf wichtiger ist als die Vollendung einer Philosophie und dass ich mit anderen fortführe, wozu Einsteins Sorgen und Vergehen uns aufruft […]“ – 1953 wurde Schweitzer in Abwesenheit der Friedensnobelpreis für das Jahr 1952 verliehen. – Wohlerhalten.