Album amicorum -, .

„Denkmahle der Freundschaft“ (Titel). Stammbuch des Justus Friedrich Focke. Magdeburg, Bordeaux, Hamburg und Braunschweig, 1783-1792, Qu.-8°. Mit 2 Stickereien (1 mit Netzkappe) sowie farb. Tuschfederzeichnungen (1 ganzseitig, 1 mit einem montierten Scherenschnitt ). 78 Einträge auf 104 Bl. Ldr. d. Zt. mit reicher Goldprägung, Rsch. und Goldschnitt (berieben und bestoßen).

Nicht vorrätig

Beschreibung

Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei dem Stammbuchhalter um den Kaufmann Justus Friedrich oder Justin Frederic Focke (1768-1855), der ab 1800 in Bordeaux in Erscheinung trat und von 1816-1855 Konsul von Oldenburg war. Darauf lassen nicht nur die zahlreichen Einträge aus Bordeaux, sondern auch die Einträge von Magdeburger Schülern schließen. Geht man, wie in der Literatur, von einem Eintritt in die Magdeburger Handelsschule mit ca. 12 Jahren und einer durchschnittlichen Ausbildungsdauer von 3 Jahren aus, so passt dies zeitlich zu den über 30 Einträgen der Mitschüler, die im Frühjahr 1784 erfolgten. Damals hatte Justus Friedrich Focke seine Ausbildung an der 1778 gegründeten und renommierten Handlungsschule in Magdeburg, der ersten ihrer Art in Deutschland, gerade abgeschlossen. Die Einträge in der Zeit zwischen September 1785 und Oktober 1789 sowie in den Jahren 1791 bis 1792, insgesamt 22, entstanden ausschließlich in Bordeaux, die weiteren Einträge von Ende 1789 bis Ende 1790 erneut in Magdeburg, Hamburg und Braunschweig. Das Fehlen von Einträgen aus Bordeaux in der Zeit Ende 1789 bis 1790 dürfte mit den revolutionären Unruhen zusammenhängen, die im Juli 1789 in Bordeaux einsetzten und bis zum Ende des Terrors im Juli 1794 andauerten. – Erwähnenswert sind: „Bordeaux, 10. 6. 1792 C. D. Miesegaes aus Bremen, on his departure for Cadiz“: Carsten Misegaes (1767-1846) studierte in Göttingen und Jena, war Schriftsteller, Übersetzer und Verfasser der „Chronik der freien Hansestadt Bremen“, 1828-1833. – „Magdeburg, 25. 4. 1784 Christian Wilhelm Schultz, Prediger zu St. Johannis“: Der Theologe, Oberpfarrer in St. Johannis in Magdeburg, war Verfasser mehrerer homiletischer Schriften.- „Magdeburg, 13. 3. 1784 Christoph Friedrich Hoff, Dein Lehrer“: Hoff (1747-nach 1817) war Lehrer an der Handelsschule von Magdeburg, später dann an der von ihm selbst gegründeten weiteren Handlungsschule in Magdeburg, darüber hinaus Verfasser einer Reihe von Werken zu kaufmännischen Themen. – „Magdeburg, 12. 3. 1784 Louis Cuny“: Um 1770 in Magdeburg geboren, war Cuny der Sohn des calvinistischen Glaubensflüchtlings und Magdeburger Seifenfabrikanten Jean Jacques Cuny und Vater des Jean Jacques Cuny (1795-1843) sowie Begründer der Magdeburger Dampfschiffahrts-Compagnie. – „Magdeburg, 2. April 1790 Fr. Carl von Strombeck“: Friedrich Karl von Strombeck (1771-1848) war Jurist und vehementer Gegner der Todesstrafe. – „In der Handlungsschule zu Magdeburg, 1783 J. A. Börger aus Berlin“: Der Kaufmann und Bankier war nach der Ausbildung an der Handelsschule in Magdeburg äußerst erfolgreich in Berlin, dort im Jahre 1807 mit einem Kapitalvermögen von 30 – 60 000 Talern verzeichnet. Börger heiratete Louise Charlotte Elisabeth Fromme (1776-1809), die Schwester der Henriette Fromme (1783-1828), der Geliebten des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen (1806 in der Schlacht bei Saalfeld gefallen). Ein wunderschönes Aquarell dieser beiden Schwestern von Johann Friedrich Schadow aus dem Jahr 1804 befindet sich in der Kunstsammlung der Berliner Akademie der Künste. – „Magdeburg, 4. 6. 1784 Daniel Conrad Vollrath Gleim“: Gleim (1723-1785), Bruder des Dichters Johann Wilhelm Ludwig Gleim, von dem sich einige Briefe an seinen jüngeren Bruder erhalten haben, war Kaufmann in Magdeburg in der Handlung Focke und Gleim. – „[Hamburg] den 14. 8. 1790 J. F. G. Delbrück aus Magdeburg“: Johann Friedrich Gottlieb Delbrück (1768-1830), Theologe, Pädagoge, Prinzenerzieher, dessen Zöglinge Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I. ihm in Zeitz von Karl Friedrich Schinkel ein Grabmal errichten ließen, das heute noch existiert. Der Eintrag ist zwar ohne Ortsbezeichnung, aber wegen der benachbarten Einträge dürfte vom Entstehungsort Hamburg auszugehen sein. – Stimmungsvoll sind die Einträge aus dem Kreis der Kaufleute in Bordeaux und Hamburg, beispielsweise G. W. Engel aus Straßburg, die Gebrüder Frerking aus Hamburg (beide namentlich vermerkt im Neuen Hamburger und Altonaer Adressbuch 1792) und Gottlob Christian Baltzer (1753-1823), Großvater des holsteinischen Politikers Theodor Lehmann (1824-1862). – Vgl. Hans-Joachim Heerde, Das Publikum der Physik: Lichtenbergs Hörer, 2006, Seite 431; Eva Labouvie, Leben in der Stadt: eine Kultur-und Geschlechtergeschichte Magdeburgs, Böhlau, 2004, S. 260; Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung, Ausgabe 19. 10. 1804, Seite 129/130); Tamara Cipolla, Friedrich Karl von Strombeck, Leben und Werk, Berlin 2010; Claudia Czok, Das Doppelporträt der Schwestern Fromme von Johann Friedrich Schadow, Schadow-Gesellschaft, 2010; Rolf Straubel, Kaufleute und Manufakturunternehmer: eine empirische Studie, 1995, Seite 444); zu den Kaufleuten in Bordeaux vgl.insbesondere Klaus Weber, Deutsche Kaufleute im Atlantikhandel, 1680-1830, Unternehmen und Familien in Hamburg, Cadiz und Bordeaux, München, 2004. – Schönes, inhaltsreiches und gut erhaltenes Stammbuch, ein interessantes Dokument zur deutsch-französischen Handelsgeschichte.