Album amicorum -, .

„Zum steten Andenken guter Freunde“ (Titel). Stammbuch des Johann Friedrich Dörfling. Halle, Zerbst, Magdeburg, Wettin und Dessau, 1763-1784, Qu.-8°. Mit hübschem Titel in Tuschzeichnung von J. W. Grillo und 3 (2 ganzseitigen) Tuschfederzeichnungen. Zusammen 64 Eintragungen auf 151 Bl. Ldr. d. Zt. mit reicher Goldprägung, signiert und datiert „J. F. D. Halle 1763“, Goldschnitt (berieben und bestoßen).

Nicht vorrätig

Beschreibung

Johann Friedrich Dörfling studierte 1763-1765 in Halle und wirkte sehr wahrscheinlich in Ankuhn (Zerbst) als Pastor, wo er 11. Juni 1829 verstarb. – Auffällig der sehr routiniert im Zeitgeschmack gestaltete Titel, signiert von Johann Wilhelm Grillo (1742-1828), sowie eine Totentanz-Szene in roter Tusche mit schwarzer Umrandung, ferner zwei ländliche Szenen, davon eine in recht düsterer Atmosphäre. – Johann Wilhelm Grillo war Oberbergmeister beim Bergamt in Wettin, seit 1818 Bergrat und Dirigent des Bergamtes bei Altenweddingen. Goethe besuchte das Wettiner Steinkohlenbergwerk unter Grillos Führung am 19. 7. 1802. – Hervorhebenswert ist auch der Eintrag von Friedrich von Poellnitz („Und keiner dachte da, in an Americka“). Poellnitz (1757-1827) war seit mindestens 1786 Oberleutnant in Jever und hatte sich am gleichen Tag auch im Stammbuch des Regierungsrates und Landvogts Johannes Carl Ludwig Ittig zu Jever (1754-1828) mit einer Tuschezeichnung verewigt. Die kleine Bemerkung zu „Americka“ dürfte eine Anspielung sein auf den berühmt-berüchtigten Verkauf von zwei Regimentern Zerbster und Jeverscher Soldaten durch Fürst Friedrich August (1734-1793) an England zur Unterstützung der englischen Truppen im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg in den Jahren 1778-1782. – Weitere Einträge: „Zerbst, vom Schlosse, 2. 11. 1781 Wapenhensch Pagenlehrer und Prädiger am hiesigen Waisenhause“: Gemeint ist Johann Friedrich Christian Wapenhensch, der gemeinsam mit dem späteren Dornburger Pfarrer und Schriftsteller Johann Christian Sigismund Sintenis (1756-1829) als Pagenlehrer und Schulinspektor in Zerbst nachweisbar ist. – „Zerbst, 14. 4. 1784 Johann Augustin Köselitz“, gleichnamiger Sohn des Theologen Johann Augustin Köselitz (1721-1790), der unter dem Künstlernamen Peter Gast später der Adlatus von Nietzsche wurde. – „Zerbst, 22. 1. 1773 J. G. Tirmann“, wahrscheinlich der spätere Pastor Tirmann zu Dannigkow, mehrfach als engagierter Kirchenmann gerühmt. – „Halle, 9. 4. 1763 J. G. Holtzapfel aus dem Waldeckischen“: Johann Georg Holtzapfel (1739-1804) wirkte als Musikschriftsteller und Komponist u.a. in Nürnberg und Regensburg. – „Wettin, 7. 4. 1763 Ernst Christoph Reger chirurgus“: Der Wettiner Stadtchirurg wohnte um 1777 in einem Haus bei der St. Nicolai-Kirche. – „Magdeburg, 15. 5. 1763 Heinrich Wilhelm Zumbrock aus Halle“, später Henry William Zumbrock, Kaufmann in London, von 1776 bis 1786 Agent der Buchhandlung Haude & Spener, ein Freund Georg Forsters, von Johann Reinhold Forster brieflich am 21. 9. 1784 Friedrich Nicolai empfohlen. – „Halle, 26. 4. 1765 Giov. Batta. Schiawetto“: Der Barometermacher, Erfinder des Schiavettoschen Reisebarometers und Mechanischer Instrumentenmacher bei der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften korrespondierte u.a mit Friedrich II. – „Halle, 30. 5. 1765 Joh. Nicolaus Zerener: Zerener (1723-1770) war der erste Doktorand von Andreas Elias Büchner (1701-1769) im Jahre 1745 und trat auch nach Eröffnung einer eigenen Praxis in Halle mit Veröffentlichungen hervor. – „Zerbst, 5. 11. 1774 J. A. Pakendorf“: Johann August Pakendorf studierte 1758 an der Universität Jena, promovierte 1765 an der Universität Halle mit einer Arbeit zur Irritabilitätslehre des Schweizer Aufklärers Albrecht von Haller (1708-1777). – Vgl. Denkschrift zur Feier des 50-jährigen Jubiläums der Anhalt-Dessauischen Pastoralgesellschaft am 12. 7. 1837; Renate Grumach, Goethe: Begegnungen und Gespäche 1800-1805, Seite 288; Hahn/Schmidt, Briefe an Goethe: 1802-1804, Seite 563; Oldenburger Jahrbuch, Band 64, 1965; siehe Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte, 1907, Seite 271; Nationalzeitung der Deutschen, 1805, Gotha, Seite 651; Jennifer Willenberg, Distribution und Übersetzung englischen Schrifttums, 2008, Seite 206; Rita Lukoschik, Italienerinnen und Italiener am Hofe Friedrichs II., 1740-1786, 2008, Seite 256; Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg: Mathematisch-naturwissenschaftliche Reihe, Band 15, Ausgaben 1-6, 1966, S. 1114; Zahn-Mund-und Kieferheilkunde mit Zentralblatt, 1976, Band 64, Seite 46; Hubert Steinke, Irritating Experiments: Haller´s Concept and the European Controversy on Irratability and Sensibility, New York 2005, Seite Seite 181 ff. – Stellenweise leicht fleckig, Gelenke etwas locker, insgesamt jedoch gut erhaltenes, umfangreiches und liebevoll gestaltetes Stammbuch aus der Umgegend von Halle und Zerbst.