Benn, Gottfried, Schriftsteller (1886-1956).

Eigenh. Manuskript. Ohne Ort und Jahr [Berlin, ca. 2. V. 1956], Fol. 1 Seite. Bläuliches Papier.

Nicht vorrätig

Beschreibung

Entwurf zu seiner Dankrede am 70. Geburtstag: „Herr Senator, m[eine] D[amen] u H[erren]. Ich stehe nicht auf dem Programm als Redner, aber ich wollte [Einschub: erlaube mir], einige persönliche Worte an Sie [zu] richten. Zunächst um mich zu bedanken vor allem bei dem Herrn Senator, der seit seinem Dienstbeginn im Berliner Kultusministerium meiner so oft [gestrichen: freundlich gedachte mir] sein Wohlwollen [Einschub: freundlich bekundet] geschenkt hat. Dann bei den Herren Vortragenden u Rednern. Dann bei Ihnen allen, die Sie [Einschub: zu dieser Veranstaltung] gekommen sind, obschon [gestrichen: ich, in] sie keiner Schönheitskönigin u kein kampfstarker Rechtsausleger [gestrichen: bin, auftritt] gilt, sondern einem Geistesmensch. Ich will Ihn[en] eine Frage vorlegen, die dieser heutige Tag mit sich bringt. Glauben Sie, dass Altwerden ein Glück ist, dass ein 70. Geburtstag einen selber sehr beglückt u. […] vorkommt? || Wir [gestrichen: betrachten] stehn in unserem Kulturkreis, der sich eingeschoben hat zwischen den Cro Magnon u. den Satelliten [Einschub: den Weltraumsiedlern], die bald um die Erde kreisen werden u. vor denen wir nur ein Haufen sein werden, ein verworrener Haufen, der sich im Essen u Trinken übte zwischen Sommer u Winter gebunden an den Humus, um das Erd[en]soll zu erfüllen.“ Am Unterrand noch die Stichworte: „Besiedelern“, „spiritum S“, „Düsen der Raketenpioniere“. – Beiliegend ein masch. Transkriptionsversuch von Ilse Benn. – Bisher unbekannte Fassung von Benns Rede anlässlich der Feier des 70. Geburtstages in Berlin, gegenüber der in der Stuttgarter Ausgabe (Bd. VI, S. 248) aus dem Nachlass gedruckten Version mit entscheidenden Ergänzungen. Wohl einer der letzten Texte und Textfragmente, die Benn hinterlassen hat. Benn nimmt hier seine Überlegungen in „Altern als Problem für Künstler“ wieder auf. Von besonderem Interesse ist der letzte Absatz, der in der Stuttgarter Ausgabe fehlt. Hier nehmen Benns philosophische Betrachtungen direkten Bezug auf das tagespolitische Geschehen, indem er auf den Start des ersten Sputnik-Satelliten und das im Juni 1955 von den Amerikanern und den Sowjets verkündete Wettrennen ins Weltall Bezug nimmt. Der angesprochene Senator ist der Berliner Kultursenator Joachim Tiburtius (1889-1967), der Benn 1953 das Verdienstkreuz der BRD verschaffte.