Bronnen, Arnolt, Schriftsteller (1895-1959).

3 eigenhändige Briefe mit Unterschrift sowie 2 eigenhändigen Postkarten mit Unterschrift Wien, Ende März bis 14. IV. 1915, Verschiede Formate. Zus. ca. 9 Seiten.

Nicht vorrätig

Beschreibung

An den Damaturgen des Deutschen Theaters in Berlin Arthur Kahane (1872-1932). Der neunzehnjährige Student an der Universität Wien hatte durch Vermittlung von Franz Pfemfert (1879-1954), dem Herausgeber der „Aktion“ und Mentor der expressionistischen Dichter, seine zwei Erstlingswerke, die Dramen „Das Recht auf Jugend“ und „Die Geburt der Jugend“, an Kahane gesandt und um wohlwollende Prüfung gebeten. Es ließ sich nicht klären, ob Kahane beide Dramen gelesen hat oder nur eines davon, jedenfalls schrieb er am 30. März 1915 Bronnen eine Absage, die mit Kritik nicht sparte. Der Text sei „für ein Theater vollkommen unbrauchbar […] nicht spielbar, weil das Propagandistische überwiegt und das Dramatische viel zu schwach geraten ist“, aber er bestätigt dem jungen Dichter „starke Ansätze […] Kraft, Leidenschaft und die Anfänge einer eigenen dichterischen Sprache.“ (Aspetsberger, Bronnen, S. 131; Original im Archiv der Akademie der Künste Berlin, Sammlung Bronnen). Hierauf antwortet Bronnen in den vorliegenden Schreiben mit Rechtfertigungsversuchen, Erklärungen und Beleidigungen in der Hoffnung, Kahane umzustimmen: „[…] was ich brauche ist mehr als die akademische Versicherung Ihres Interesses. Auch ein Superlativ hilft da nichts. Oder haben die Dramaturgen und Verleger vergessen, im Dichter den jungen Menschen zu sehen? Was besonders von mir Neunzehnjährigem gelten muß, den man partout zu einer überaus gleichgültigen und kalten Zeit den Kopf sich einrennen lassen will. Interesse! fängt das tatkräftige Interesse erst bei der regelgemässen Technik an? Man kann die Geburt der Jugend aufführen, sonst wäre sie kein Drama und nicht als Drama geschrieben worden. Zumindest wurde sie in meinen Hirne aufgeführt, und ich habe weder das Hirn eines Irren noch eines Patagoniers. Aber freilich darf man es nicht von Schauspielern gesprochen hören und auf einer modernen Bühne gespielt sehen; darüber hätten wir dann notfalls zu besprechen und vieles zu ändern, was besonders in diesem unkorrigierten Exemplare ins Ohr dissoniert. Allerdings erforderte der Wille, sich mit der Geburt der Jugend zu beschäftigen eine Art Begeisterung für dieses Stück; und diese erforderte, dass es zufällig an einen kommt, der diese Stimmungen kennt und erlitten hat. Es sind ja die Möglichkeiten des deutschen Geisteslebens größere geworden als vor 150 Jahren, und also auch die Möglichkeit des Missverstehens, wie die Wahrscheinlichkeit, einem Missverstehenden zu begegnen. Aber wenn Sie selbst dem Stücke fremd gegenüberstehen, so wäre es Ihnen ja möglich es weiterzugeben zum lesen, an Leute, die diesen Stimmungen weniger fern sind. Denn es wird eben Fälle geben, wo das Verständnis der Form und Stilkritik erst aus dem Verständnis des Inhalts erfolgen kann. Es dürfen die Bedenken gegen die Geburt der Jugend nur bühnen- und dramatisch-technischer Natur sein – und also bei gutem Willen zu überwindende. Wer den Inhalt, die Gedanken und die Entwicklung des Stückes aber versteht, weiß, was hiermit der deutschen Jugend gegeben werden kann: nicht durch mich, sondern durch das Theater, durch Sie also […]“ – „[…] Gestaltung kann hier nicht gefordert werden, im Sinne des bühnentechnischen Ausdrucks. Den Dichter, der in diesem Gedanken und in dieser Leidenschaft noch gestaltet und gestalten kann und will, müsste man erst erfinden; und ebenso existiert kein Mensch, der noch Ichmensch ist, in dieser Spannung. Wenn dies die Kritik der ‚Geburt der Jugend‘ ist, so ist es die Kritik eines Oberlehrers, der nichts hiervon versteht […]“ – „Die Geburt der Jugend“ erschien dann erst 1922 im Druck und wurde 1925 am Berliner Lessingtheater uraufgeführt. „Recht auf Jugend“ wurde erst 1987 aus dem Nachlaß veröffentlicht. Beide Stücke werden noch heute gespielt. – Etw. fleckig, der Brief vom 6. April mit Wasserschaden. – Sehr selten so früh.