Hebbel, Friedrich, Schriftsteller (1813-1863).

Eigenhändiger Brief mit Unterschrift Wien, 17. IX. 1851, Gr.-4°. 3 Seiten. Doppelblatt mit Adresse (Siegelausriß und -schnitt ohne Textverlust).

Nicht vorrätig

Beschreibung

Sehr schöner und ausführlicher Brief an seinen Vetter Christian Hebbel in Wolfenbüttel bei Meldorf in Schleswig-Holstein, dem er für seine Zuschrift dankt und die Verzögerung der Antwort entschuldigt: „Ihre Zuschrift, mein werther unbekannter Vetter, erhielt ich, als ich eben mit meiner Frau von Berlin zurückgekommen war […] ich fand in Wien eine Menge dringender Arbeiten vor. An Briefen und Sendungen waren wenigstens dreißig eingegangen, von nah und von fern, die alle erledigt seyn wollten. Ferner hatte ich für die Münchner Hofbühne meine Genoveva einzurichten, weil die Intendanz mit diesem Stück die Wintersaison eröffnen will. Dann mußte ich an funfzig Novellen lesen, weil der Oesterreichische Lloyd in Triest einen Preis von 50 Ducaten auf die beste Novelle gesetzt hat, die für sein Familienbuch einläuft, und ich Preisrichter bin. Endlich hatte ich von den Werken unseres früheren Unterrichtsministers, des verstorbenen Freiherrn von Feuchtersleben, die ich herausgebe, den dritten und vierten Band für den Druck zu ordnen […] Ihr Brief hat mich allerdings, wie Sie voraussetzten, sehr überrascht, schon deshalb, weil ich gar Nichts von Ihrer Existenz wußte. Noch mehr aber durch seinen Inhalt, aus dem ich mit erlaubter Verwunderung abnehme, daß meine Landsleute so gut, wie gar Nichts von mir wissen. Um diesen Punct zuerst abzuthun, so hätten Sie Sich alle Erkundigungen ersparen und Ihren Brief ohne alle weitere Addresse an mich absenden können; er wäre sicher in meine Hände gelangt, denn in Deutschland lebt kein gebildeter Mensch, der mich nicht kennt. Es ekelt mir, das über mich selbst zu sagen, was hundert und aber hundert Zeitungen in allen Sprachen längst über mich gesagt haben und was in jeder Geschichte der neueren Literatur zu lesen steht; da ich meiner eigenen Familie jedoch einige Aufklärungen schuldig zu seyn glaube, so lege ich eins dieser Blätter bei, das meine neuesten Arbeiten bespricht. Daraus werden Sie erfahren, in welchem Sinne ich Dichter bin; ich habe statt einer gelehrten Abhandlung, wie sie dutzendweise über mich erscheinen, einen populairen Artikel gewählt, der Ihnen verständlich seyn wird, und würde ein Paar meiner Werke hinzufügen, wenn Ihnen für diese die nöthige Reife nicht noch fehlte. Oesterreichischer Professor bin ich dagegen nicht und wer meine Dramen versteht, wird das begreiflich finden, wohl aber ist meine Frau die erste tragische Schauspielerin am Kais. Königl. Hofburg- und National-Theater in Wien und nach dem übereinstimmenden Urtheil aller Kunstrichter eine der größten, die Deutschland jemals hatte. Was nun Ihre Wünsche betrifft, so finde ich Ihren Drang Sich geistig zu entwickeln, nur achtungswerth, bin jedoch nicht im Stande, Sie zu mir zu nehmen, oder Sie studiren zu lassen, wozu viel gehört. Ich habe alle Ursache mit meiner Lage zufrieden zu seyn, und wünsche sie mir gar nicht besser, aber sie wirft mir bei der Wiener Theuerung keinen Überfluß ab, und das um so weniger, als ich für zwei Kinder zu sorgen habe, deren ältestes ich in Hamburg erziehen lasse. Eine Wenigkeit lege ich Ihnen bei, für die Sie Sich ein Buch oder was Sie wollen kaufen mögen, was ich sonst übrig habe, gehört meinem hülfsbedürftigen Bruder. Mein Rath ist nun der. Wenn Sie keine hervorragende geistige Fähigkeiten besitzen, so stehen Sie von der gelehrten Laufbahn ab und wenden Sich dem Handwerk zu. Mit dem bloßen Studiren ist es in unserer Zeit, wo alle Fächer überfüllt sind, nicht mehr gethan; von dem, was man jetzt braucht, um in die Höhe zu kommen, kann man nur das Allerwenigste lernen. Hat die Natur Sie aber ganz besonders begabt, so harren Sie einstweilen in Ihrem engen Kreise aus und arbeiten an Sich Selbst so gut es geht; das mußte ich auch sieben lange Jahre, und es hat mir eher genützt, als geschadet. Mir antworten Sie auf diesen Brief […] Dann lassen Sie mich alle Jahre einmal (nicht öfterer) von Sich hören und seyen Sie überzeugt, daß ich Ihnen zur Erreichung Ihrer Zwecke, wenn Sie dieselben in Einklang mit Ihren Anlagen und den Umständen formuliren, gern behülflich seyn werde. Dazu ist Geld ja nicht das einzige Mittel; ich habe überall vielfache Verbindungen, und wenn Sie früher oder später einmal nach Deutschland kommen, so wird Ihnen schon der Name, den Sie tragen, Ihnen zur Empfehlung gereichen […]“ Druck: Sämtliche Briefe, hrsg. von R. M. Werner. Bd. IV, Nr. 361 (Original unzugänglich; Druck nach einer Abschrift). – Etw. fleckig, Knickfalte.