Holstein, Friedrich August von, Diplomat, die „Graue Eminenz“ (1837-1909).

Diktierter Brief mit eigenh. Anrede, Grußformel und Unterschrift „Holstein“. Berlin, 5. VIII. 1906, Gr.-4°. 17 Seiten auf 9 Blättern.

Nicht vorrätig

Beschreibung

An Maximilian Harden. – Hochbedeutsamer und sehr umfangreicher (17 Seiten!) Brief mit Berichtigungen der von Harden in der „Zukunft“ gebrachten Notizen über Holstein, seine Beziehungen zu Bismarck und zu Wilhelm II. sowie über sein Ausscheiden aus dem Staatsdienst. Der Brief diente als Druckvorlage mit Satzanweisungen für den Abdruck in der „Zukunft“. – Mit dem Ausscheiden Bismarcks und seines Sohnes Herbert aus dem Dienst im März 1890 wurde Holstein ein einflussreicher Außenpolitiker des Deutschen Reiches. Dank seines guten Einvernehmens mit Eulenburg, dem Freund des Kaisers, und mit Bülow konnte der Diplomat indirekt Einfluss auf die Entscheidungen Wilhelms II. nehmen. Holstein plante etwa, das Einvernehmen zwischen Frankreich und Großbritannien zu stören. Eine Chance dafür bot die Erste Marokkokrise und der Kongress von Algeciras 1906. Holsteins Einschätzung, England würde keine französischen Kolonialpläne in Marokko unterstützen, erwies sich indessen als falsch. Er zog die Konsequenzen und reichte am 14. April 1906 seinen Rücktritt ein. Zwei Monate später veröffentlichte der Maximilian Harden in der Wiener „Neue Freien Presse“ sein phantastisch böses Holstein-Porträt, in dem er von Richelieus Berater, dem Pater Joseph, die unsterbliche Vokabel „Graue Eminenz“ entlieh: die Bilderbuch-Legende vom verknöcherten, zwischen seinen Dossiers begrabenen Intriganten der Außenpolitik war geboren. – „Maximilian Harden beteiligte sich jahrelang an den von der Presse immer wieder vorgetragenen Angriffen […] Doch nun [1906] kam es zu einer Sensation. Holstein, der sich während seiner Amtszeit gegen den öffentlichen Klatsch niemals gewehrt hatte, richtete an Harden einen offenen Brief, dessen vollständige Veröffentlichung Holstein als ein Akt der Billigkeit betrachtete. Harden entsprach dem Wunsch [in der ‚Zukunft‘ vom 18. August 1906], um sogleich eine Antwort anzufügen […] Holstein geht zunächst auf sein Verhältnis zur Familie Bismarck ein, korrigiert von Harden geäußerte Vermutungen und widerlegt aufgestellte Behauptungen. Sodann nimmt Holstein die These auf, er habe während drei Lustren der internationalen Politik des Deutschen Reiches die Richtung gewiesen […] Für jeden, der das innere Getriebe der auswärtigen Politik kenne, bedürfe die Behauptung, er, Holstein, sei allemal die entscheidende Instanz gewesen, überhaupt keiner Widerlegung […] Wie sehr Holsteins Rechtfertigung Harden beeindruckt hat, lässt sich in dem geradezu rührenden Nachruf nachlesen, den Harden drei Jahre später nach dem Tode des Geheimrats schrieb.“ (Neumann 1904-08). – Noch 1957 brachte es Holstein anläßlich der Veröffentlichung seines Nachlasses auf das Titelbild des „Spiegel“ (www.spiegel.de/spiegel/print/d-41758470.html). – Mit eigenh. Satzanweisungen und mehreren Korrekturen von Harden in lila Tinte. – Kleine Randläsuren.