Janka, Walter, Verleger und Dramaturg (1914-1994).

229 Korrespondenzstücke, darunter 25 eigenhändige Briefe, 29 masch. Briefe mit eigenhändiger Unterschrift (1 Fragment), 5 eigenh. Ansichtskarten, 4 eigenh. Weihnachtskarten von Walter Janka sowie 12 eigenhändige Briefe, 9 masch. Briefe mit eigenhändiger Unterschrift, 7 eigenh. Ansichtskarten von Lotte Janka und 2 Telegramme von Walter und Lotte Janka, darüber hinaus 1 Briefentwurf von Johannes von Guenther (Antrag auf Reiseerlaubnis für Walter Janka) und 125 Gegenbriefe von Johannes und Jasmin von Guenther (Typoskript-Durchschläge). Beiliegend einige teils undatierte Fragmente. Kleinmachnow, 13. XI. 1961 bis 10. XI. 1973, Verschiedene Formate. Insgesamt über 590 Seiten.

Nicht vorrätig

Beschreibung

Der Briefwechsel zwischen Walter Janka und Johannes von Guenther (1886-1973) – ergänzt durch einige Briefe Lotte Jankas und Jasmin von Guenthers – setzt ein Jahr nach Jankas Entlassung aus dem Zuchthaus Bautzen und drei Monate nach dem Bau der Berliner Mauer ein. Walter Janka, der in der Nazizeit verhaftet worden war, dann emigrierte, im Spanischen Bürgerkrieg gekämpft und später in Mexiko den Exilverlag El Libro Libre gegründet hatte, kehrte 1947 in den Osten Deutschlands zurück und stieg 1953 zum Leiter des Aufbau-Verlages auf. Am 6. Dezember 1956 wurde er verhaftet, am 26. Juli 1957 in einem aufsehenerregenden Schauprozess „als unmittelbarer Hintermann und Teilnehmer einer konterrevolutionären Gruppe“ zu fünf Jahren Haft verurteilt. Johannes von Guenther setzte sich jahrelang für ihn ein und hielt ihm auch dann noch die Treue, als Janka isoliert, sanktioniert und in Kleinmachnow von der Stasi überwacht bis 1989 auf die Rehabilitierung warten musste. Nach internationalen Protesten wurde Walter Janka am 23. Dezember 1960 zwar vorzeitig aus der Haft entlassen, stand aber, mit Berufsverbot belegt und in der Haft schwer erkrankt, vor dem Nichts. In diese Zeit fallen die Briefe, die Janka vom November 1961 bis November 1973 an Johannes von Guenther schrieb. Sie sind Teil einer umfassenden Korrespondenz, in die auch Katia und Erika Mann eingebunden waren. Guenther, als Herausgeber und Übersetzer russischer Klassiker Autor des Aufbau Verlages und in der Bun-desrepublik lebend, zählte ebenso wie Katia Mann zu Jankas Fürsprechern. Das bezeugen, neben der Korrespondenz zwischen Katia Mann und Johannes von Guenther aus den Jahren 1960 bis 1966, Jankas Äußerungen in den hier vorliegenden Briefen. Demnach stand nicht nur Johannes von Guenther mit Katia Mann, sondern auch Janka mit ihr und Erika Mann in engem Briefkontakt. In den späteren Jahren kam es sogar zu einem Besuch Jankas im Hause Thomas Mann in Kilchberg bei Zürich, da Katia Mann darauf bestand, mit Janka direkt über eine DEFA-Verfilmung von „Lotte in Weimar“ zu verhandeln (10.V.1971). Wie eng dieser Kontakt war, zeigt Jankas Brief an Johannes von Guenther vom 22.IV.1963: „[…] Der Briefträger brachte gleich zwei schöne Briefe. Den Euren vom 12. 4. und einen langen, sehr herzlichen, von Frau Katia Mann. Es ist die beste Sache der Welt, dass es Euch gibt – und dass Ihr Briefe schreibt. In das ‚Euch‘ ist freilich K. Mann einbezogen […]“. Walter Janka pflegte ein intensives Verhältnis zu Thomas Mann und dessen Familie. Ihm war es zu verdanken, dass dessen Werke und Briefe nicht nur in der Bundesrepublik im S. Fischer Verlag, sondern auch in der DDR im Aufbau Verlag erschienen. Legendär ist die Anekdote, wonach Janka das Honorar mangels Devisen in Form eines Pelzmantels auszahlte. Sie markiert den Beginn einer langjährigen engen Freundschaft, über die Janka und Johannes von Guenther sich mehrmals brieflich austauschen, etwa am 21. II. 1965 (über Erika Manns Krankheit), am 22. VII. 1965 (Katia Manns Empörung über die Ablehnung einer Reisegenehmigung für Walter Janka: „Sie war ziemlich ärgerlich, als wir ihr die Umstände erzählten […]“), am 26. II. 1968 über Erika Manns Zauberberg-Feature („[…] eine ganz hervorragende Leistung. Von ihrer schweren Krankheit war nichts zu spüren […]“). Krankheit und Tod Erika Manns sind mehrmals Thema zwischen den Freunden, am 15. XI. 1969 bekennt Janka: „Ich war richtig hilflos. Mit Erika hatten wir nämlich eine – wenn auch nicht so oft ausgesprochene – sehr ernstgemeinte Freundschaft. Und es hat uns wirklich hart getroffen, dass sie nicht mehr ist … Der wirklich guten Freunde werden leider immer weniger […].“ Walter Jankas sehr persönliche Briefe werfen ein eindrucksvolles Licht auf seine prekäre Lage als Folge des Schauprozesses und seinen lebenslangen Kampf um Wahrheit und Anerkennung. Themen sind die alltäglichen Folgen von Verhaftung und Berufsverbot für ihn und seine Familie (6. XII. 1962, 18. III. 1964, 19. V. 1964 etc.), die Hintergründe des Prozesses (8. IV. 1965), das vergebliche Bemühen um ein Wiederaufnahmeverfahren (11. X. 1965, 13. XI. 1965, 25. I. 1966 etc.), Freundschaften (Peter Huchel, Marta Feuchtwanger, Georg Lukács, die Familie Mann) und Feindschaften (der „Portokassenknabe“ Klaus Gysi, „E[rich] W[endt] […] Ich habe mich nie wieder mit ihm an einen Tisch gesetzt“, Wolfgang Harich und die falschen Freunde aus der Zeit um 1956), Jankas berufliche Situation (21. X. 1962, 6. XII. 1962) sowie auf das kulturpolitische Klima in der DDR vom Aufstand in Ungarn 1956 über den Sturz Chrustchows und das Ende der Entstalinisierung (Brief vom 31. X. 1964), den Prager Frühling (31. IV. 1968, 21. VIII. 1968, 15. IX. 1968) bis zur späten Phase der Ära Ulbricht, einschließlich des Mauerbaus (13. XI. 1961), der Sanktionen gegen Wolf Biermann, Robert Havemann, Stefan Heym u.a. (10. IV. 1966) und die Ausrichtung der DDR-Verlage (z.B. in der freimütigen Kritik an der Kooperation zwischen Klaus Gysi im Aufbau Verlag und Siegfried Unseld im Suhrkamp Verlag, 20. X. 1965, 25. I. 1966, 23. IV. 1965). Es erstaunt, wie unverblümt Janka die Zustände beim Namen nennt, als ob seine Briefe weder der Zensur unterworfen gewesen wären noch er selbst unter ständiger Beobachtung gestanden hätte. Am 6. XII. 1962 schreibt Janka über seine Anstellung bei der DEFA seit dem 1. September 1962: „Zu meiner jetzigen Tätigkeit ist viel oder nichts zu sagen. Ich mache es kurz. Natürlich sind es Improvisationen und Behelfe. Nichts, keine Leidenschaft noch Begabung, kein Ehrgeiz, noch Ausdauer, stehen dahinter. Alles, was ich tue, tue ich, um eben etwas, was möglich ist, zu tun; und um nicht nur von der Arbeit meiner Frau leben zu müssen […]. Was die Perspektiven bringen, weiss ich nicht […] nichts würde ich mehr fürchten, als den Tag, wo ich mich selbst im Spiegel nicht mehr sehen möchte. Ich bin entschlossen, es nicht dazu kommen zu lassen […].“ Die permanente Frustration über die ausweglose Situation einer von oben verordneten Untätigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch den Briefwechsel. So charakterisiert sich Janka als „gut dressierten“ Hund, der mit Füßen getreten wird: „Dass er nicht immer den Fusstritten ausweicht, spricht für den Hund – niemals für den, der mit Füssen tritt […] (19. III. 1963).“ Dagegen steht Jankas in jeder Zeile spürbarer Wunsch, wieder als Verleger zu arbeiten. Er begleitet Johannes von Günther brieflich bei dessen Arbeit als Autor, Herausgeber und Übersetzer russischer Literatur (21. II. 1965, 6. VII. 1965 etc.), drängt ihn geradezu, seine Memoiren zu schreiben und versucht über Mittelsmänner zu erreichen, dass seinem Freund zum 80. Geburtstag die Ehrendoktorwürde verliehen wird. Janka agiert brieflich über die deutsch-deutsche Grenze und alle Restriktionen hinweg als Lektor/Verleger, der ermutigt, kritisiert, anregt und in Detailfragen Stellung bezieht. Für Janka scheinen diese brieflichen Gespräche ein Lebenselixier: „Dein Puschkin steht hoffentlich vor der Vollendung. Ich finde es gut, dass Du noch selbst einen letzten Schliff gibt’s. (Auch deshalb, weil ich die Gesamtausgabe bestimmt neu auflegen werde. Natürlich nicht nur den Puschkin. Und es wird noch dauern. Aber irgendwann werde ich wieder ich verlegen) […]“ (Brief vom 6. VII. 1965). – Ausführliche Transkription auf Anfrage.