Kautsky, Karl, Politiker (1854-1938).

Eigenhändiger Brief mit Unterschrift Berlin, 20. II. 1903, Gr.-8°. 2 1/2 Seiten. Doppelblatt. Briefkopf „Die Neue Zeit“.

Nicht vorrätig

Beschreibung

An Maximilian Harden. „[…] Ich danke Ihnen für die Zusendung Ihres Heftes, bedauere aber, Ihnen mitteilen zu müssen, daß es mich nicht bekehrt hat […] Auch der mir übersandte Artikel erschüttert nicht mein Urtheil. Ich finde vielmehr in ihm den Typus Ihrer schillernden Politik wieder. Sie erklären, kein Feind der Sozialdemokratie zu sein, sogar mit Anerkennung von ihr zu sprechen. Nun wohl, Sie loben die Sozialdemokratie, aber blos deshalb, weil sie eine Taktik verfolgt, die sie, Ihrer Ansicht nach, nicht zum Ziele führt. Den Zielen der Sozialdemokratie stehen Sie feindlich gegenüber. Sie tadeln den Kaiser wegen der Art, wie er die Sozialdemokratie bekämpft, aber blos deßwegen, weil das Ihrer Ansicht nach eine unwirksame Art ist […] Ihr Standpunkt gegenüber der Sozialdemokraten die ist der Bismarcks […]: nicht am Klassenkampf innerhalb einer Klasse theilnehmen, sondern über den Klassen stehend, ihre Gegensätze gegeneinander zum eigenen Vortheil ausnutzen – sei dieß nun der einer Regierung oder bloß der einer Redaktion. Welche anscheinend der Neutralität nicht hindert, daß man jene Klasse, die nicht nach der Pfeife tanzt und einem das schöne Rezept verdirbt, auf das ärgste attackiert. Nachdem Sie der Sozialdemokratie das zweifelhafte Lob gespendet, daß sie die Arbeiter durch den Marxismus entmanne, entrüsten Sie sich über die ‚Genossen‘, die den Reichstag zur ‚Kutscherschwemme erniedrigen‘. Dieser Art Unpartheilichkeit, die alle Klassen und Parteien mit gleicher berechnender Neutralität betrachtet, stehe ich noch weit feindseliger gegenüber, als offener und ehrlicher Klassengegnerschaft […]“ – Randeinriß alt hinterlegt.