Marc, Franz, Maler und Graphiker (1880-1916).

Eigenhändiger Brief mit Unterschrift Berlin, (Ende 1912), 4°. 5 Seiten. Gedruckter Briefkopf.

Nicht vorrätig

Beschreibung

Sehr selten. – Ungedruckter, bedeutender und überaus detailreicher Brief an Franz Werner Kluxen, den Käufer zweier Bilder Alexej Jawlenskys, darunter das verschollene Gemälde „Prinzessin Turandot“, mit interessanten Hintergründen zum, auch finanziellen, Verhältnis zwischen Künstler und Galeristen. Franz Marc ergreift Partei für Jawlensky in dessen Streit mit dem Galeristen Joseph Beer-Neumann, der zwei seiner Bilder aus Herwarth Waldens „Sturmgalerie“ widerrechtlich an Kluxen weiterverkauft hatte und sich weigerte, die Walden dafür zustehende Provision zu zahlen: „[…] Herr Walden bat mich kürzlich, die Korrespondenz in der Verkaufsangelegenheit einzusehen, mit der Herr Neumann sich nach seiner Meinung unbefugt befaßt hat. Nachdem es sich um Bilder aus der von mir arrangirten Sturmausstellung (zurückgestellte Bilder des Sonderbundes) handelt und ich sehe, daß die Sache zum Schaden meines Kollegen Jawlensky auszugehen droht, glaube ich auch persönlich mich der Sache annehmen zu müssen. Die rein geschäftliche Seite der Sache wird Herr Walden Ihnen selbstverständlich auch seinerseits vortragen. Aber ich möchte mit diesen Zeilen die Interessen meines Kollegen wahren; wir alle leiden zu oft unter diesen im Kunsthandel typischen Fällen. Es handelt sich um die beiden Bilder von Jawlensky: Prinzessin Turandot (800) und Frauenbildnis No. 6 (600), Bilder, die Sie sich seinerzeit im ‚Sturm‘ zum ev. Ankauf zurückstellen ließen. Die Bilder mußten dann, wie Ihnen Walden schrieb, Anfang Septemb. mit der ganzen Kollektion nach Hamburg weitergehen. Um diese Zeit übernahm ohne jede Fühlung mit dem ‚Sturm‘ Herr Neumann die Verkaufsangelegenheiten, korrespondirte mit H. Jawlensky um die Nettopreise; Jawlensky gab sie an, im Glauben, daß Herr N. in Vertretung des ‚Sturm‘ handelte, – er wußte ja, wie wir alle, daß Herr N. Bilder vom Sturm übernehmen wollte, sowie er auch seine Graphik vertrat. Herr Neumann schloß selbständig den Verkauf ab; Herr Walden sandte Ihnen auf Bitten von Herrn Jawl. die beiden Bilder zu u. bat gleichzeitig Jawl. um die Übersendung der für unsere Kollektionen im Sturm ausgemachten 15 % von jedem Verkauf. Herr Neumann thut nun heute das Unglaubliche u. behauptet, er habe gar nicht daran gedacht, daß die Bilder geschäftlich in den Händen vom Sturm seien, er sei der Meinung gewesen, es handelte sich um einen Atelierverkauf! Er lehnt infolgedessen die schuldige Provision an den Sturm ab, mit der Bemerkung, Jawlensky müsse sie zahlen, – Jawlensky hätte wissen müssen, ob er dem ‘Sturm‘ für den Verkauf etwas schulde oder nicht! Welche doppelte Schädigung ein solch unberechtigter Zwischenhandel für den Künstler bedeutet, ist ja leicht zu sehen; einmal die materielle Schädigung, nun auch noch die Provision trotz Angabe der Nettopreise bezahlen zu müssen, andrerseits vor einer Ausstellungsleitung wie der des Sturm in den Verdacht zu kommen, hinter ihrem Rücken die % zu drücken! Wie unendlich viel bedeuten für uns Ausstellungsunternehmungen wie der ‚Sturm‘! Sie bezahlt die hohen Frachten, Platzmiete, Kataloge, Inserate, bringt die Ausstellungen durch alle Länder, für uns völlig spesenfrei, – sollen wir Künstler nicht einmal so gerecht sein, diese 15 % Verkaufsprovision an das Unternehmen abzugeben? Unsere Verkäufe sind doch schließlich immer auf Ausstellungen zurückzuführen. -Jawlensky hat sich allerdings sofort durch Vorlage der ganzen Korrespondenz mit Neumann vollkommen gerechtfertigt. Er mußte annehmen, daß H. Neumann die Provisionsfrage geschäftlich mit dem Sturm geregelt hatte; selbstverständlich stehe ich mit Herrn Walden auf dem Standpunkt, daß die % von H. Neumann auf dem Rechtswege eingefordert werden müssen. Ich wollte aber vorher Sie von der ganzen Sachlage unterrichten und Ihren Rat hirzu erbitten. Die Bilder wurden als geschlossene Kollektion, ebenso wie die blaue-Reiterkollektionen und andere Einzelkollektionen Herr[n] Walden zur Ausstellung in Berlin und beliebigen weiteren Ausstellungen in Deutschland u. im Ausland übergeben, die Kollektionen sind durch Herrn Walden auf viele Monate hinaus an andere Städte fest vergeben, die einzige Gegenleistung für diese Bemühungen besteht in den 15 % Verkaufsprovision und Herr Neumann war in gar keiner Hinsicht berechtigt, ohne Fühlung mit Herrn Walden Bilder aus diesen Kollektionen zu verkaufen. Nachdem er dies gethan, hat selbstverständlich Herr Neumann diese Provision an den ‚Sturm‘ zu bezahlen. Mein Interesse an der Sache ist das rein kollegiale, Herrn Jawlensky vor einer Zahlung, die ihn rechtlich auch nichts angeht, zu schützen […]“. – Zwei Briefe von Jawlensky an Franz Werner Kluxen vom November 1912 über den hier von Franz Marc beschriebenen Verkauf der beiden Bilder „Prinzessin Turandot“ und „Frauenbildnis No. 6“ wurden 2014 bei Ketterer Kunst versteigert (Auktion 418, Nr. 84). Darin schreibt Jawlensky u.a.: „Ihrem Briefe gemäss, habe ich an Herrn Walden geschrieben um Ihnen die Prinzessin Turandot möglichst bald zukommen zu lassen […]. Was das Frauen-Bildnis N 6 anbetrifft – So halte ich es für ein sehr gelungenes […] Neben der Turandot ist es das beste aus dieser Zeit […] Nachdem dieser geschäftliche Teil erledigt ist möchte ich Ihnen meine Freude ausdrücken, das meine geliebte Prinzessin in Ihre Hände geraten ist […]“. – Das Werkverzeichnis von Jawlenskys Ölgemälden führt unter Nr. 467 das in Waldens „Sturmausstellung“ gezeigte und in Marcs Brief gemeinte Gemälde als „Turandot“ (in Abgrenzung zu den zwei Varianten Nr. 466 „Prinzessin Turandot“ und Nr. 468 „Turandot II“). Demnach wurde das Bild in den 1930er Jahren aus Kluxens Sammlung von den Nationalsozialisten konfisziert und gilt seitdem als verschollen. – Franz Werner Kluxen (1888-1968), Kaufmann in München und Besitzer eines Münsteraner Modehauses, war ein bedeutender deutscher Kunstsammler vor dem Ersten Weltkrieg, dessen Sammlung Werke von Kandinsky, Macke, Braque, Picasso, Jawlensky und Franz Marc umfasste. Zu Herwarth Walden stand er jahrelang in engem Kontakt, 1917 wurde seine Sammlung in der 54. Ausstellung von Waldens Galerie Der Sturm erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Herwarth Walden, mit dem Franz Marc seit 1912 freundschaftlich verbunden war, gilt als „Marcs erfolgreichster Galerist“ (Meißner). – Vorliegender Brief nicht in: Franz Marc, Briefe, Schriften und Aufzeichnungen. Hrsg. von Günter Meißner. Leipzig 1989. – Zu Kluxen vgl. Nina Senger, „Zwei begeisterte Sammler Chagalls: Franz Kluxen und Hermann Lange“, in: Grütters, Heuberger (Hrsg.), Marc Chagall und Deutschland. Verehrt und Verfemt, Frankfurt 2004, S. 64-89. – Gelocht, mit kleinen Randeinrissen.