Musil, Robert, Schriftsteller (1880-1942).

Maschinengeschriebener Brief mit eigenhändiger Unterschrift Wien, 9. VII. 1934, Gr.-4°. 1 Seite.

Nicht vorrätig

Beschreibung

Sehr inhaltsreicher Brief an seinen Freund und Förderer Franz Blei (1871-1942), der sich in seiner ersten Exilstation in Cala Ratjada auf Mallorca aufhielt: „[…] ich bitte Sie, entschuldigen Sie es, daß diese Antwort so lange auf sich warten ließ, allein die Unsicherheit der Existenz verbindet sich jetzt bei mir auf das unglücklichste mit der Unverfrorenheit des Anspruchs, den meine Arbeit an mich stellt, sie so zu Ende zu führen, als ob ich keine anderen Sorgen hätte. Der Weg auf der Höhe des Buchs ‚ziagt‘ sich. Da ich ja sozusagen die letzte Liebesgeschichte [vgl. Mann ohne Eigenschaften II, Kap. 46] schreibe, mit der dieser interessante Gegenstand untergehen wird, gibt es eine Menge von Nebenblicken ins Soziale, Religiöse usw., die sich immer unerwartet einstellen und dem eilenden Wanderer die Pfeife aus dem Mund fallen machen. Darum bin ich mit der Quantität der Arbeit nie so zufrieden, wie ich es mit der Qualität voraussichtlich werde sein dürfen. Materiell sieht es über die nächsten Monate hinaus bei mir sehr düster aus, aber die kleine Weile bis dahin geht es, wenn auch mit allerhand Einschränkungen. An Mallorca darf ich natürlich nicht einmal denken (so homerisch ich mir den Blick aus Ihrem Fenster auf die leere Landschaft auch vorstelle!), denn ich kann mich von der spärlichen Quelle meiner Weiterernährung nicht entfernen. Und ich möchte Sie wirklich gerne in Ihrem – hoffentlich nicht wieder vergessenen – Vorsatz bestärken, daß Sie Ihre kritisch-ästhetische Konzentration an meinem Buch vollziehen, das dazu so geeignet ist, weil Sie ihm eben Ihre Neigung geschenkt haben. Sie wissen, wie sehr ich immer eine Arbeit gewünscht habe, in der Sie sich zusammenfassen. Die Langsamkeit, die der ausstehende Schluß mit sich bringt, wäre auch Vorteil, weil dadurch die Freiwilligkeit der Beschäftigung erhöht wird. Rowohlt benimmt sich nach wie vor unmöglich. Steckt alles Geld ein und legt nicht einmal die Rilke-Rede [‚Rede zur Rilke-Feier in Berlin am 16. Januar 1927‘] neu auf, die er angeblich irrtümlich vor einem Jahr einstampfen ließ. Ich muß deswegen in den nächsten Tagen zum Rechtsanwalt gehn. Hätte ich nur einen anständigen und energischen Verleger! Aber im Vaterland von heute wird es das auf die Dauer meines Lebens wohl kaum mehr geben. Sind Ihnen aus dem unerlaubten Pariser Nachdruck Schwierigkeiten erwachsen? Ich hoffe nicht. Die vergewaltigte Mutter Germania hat jetzt andere Sorgen […]“ – Druck: Briefe (1981), S. 615 f.