Perutz, Leo, Schriftsteller (1884-1957).

Maschinengeschriebener Brief mit Eigenhändigen Korrekturen und Unterschrift Ohne Ort (Tel Aviv), 31. X. 1940, Gr.-4°. 1 1/2 Seiten.

Nicht vorrätig

Beschreibung

Bewegender Brief aus dem Exil in Palästina an Franz Elbogen (1889-1943) in USA: „[…] Ich habe alle Ihre Briefe bis zu Ihrer letzten Karte bekommen, sie aber nicht beantwortet, weil die Vorstellung, auf einen Brief bestenfalls in einem halben Jahr eine Antwort zu bekommen, jede Neigung zur Korrespondenz in mir erfrieren lässt. Briefe, die nach dreimonatlicher Reise in meine Hände kommen, sind ausgeraucht wie ein offenes Parfümflascherl. Die Mitteilungen, die sie enthalten, sind nicht mehr aktuell und sie gar noch zu beantworten, ist eine müssige Spielerei. Es gibt heute nur zwei Arten von Korrespondenz: Die telegraphische […] Und die zweite ist, sich im Gedanken mit einem seiner überseeischen Freunde zu beschäftigen und das hat der ersten gegenüber den Vorzug der Billigkeit. Heute breche ich mein Prinzip und schreibe Ihnen, obwohl ich weiss, dass Sie diesen Brief erst Ende Jänner bekommen werden und ich Ihre Antwort gar erst zu Beginn des Sommers […] Wir stehen im Postverkehr ungefähr wieder in der Mitte des 18. Jahrhunderts […] Stehen Sie noch mit irgendjemand in unsrer Heimat in Verbindung? […] Uns geht es gut, wir sind hinsichtlich des Kriegsausgangs zuversichtlich wie am 1. Tag und obwohl Sie mich oft als einen schlechten Propheten bezeichnet haben, dürfte ich diesmal wohl recht behalten. Ich zerbreche mir oft den Kopf, was aus meinen Freunden und Bekannten aus Frankreich geworden ist. Paul Frank ist verschollen, ebenso Alexander Weiss, von Dische habe ich zum ersten Mal durch Sie gehört, aber wohin mag Egon Erwin [Kisch] geraten sein! Über [Franz] Werfel waren hier Schauergeschichten verbreitet und ich hörte erst vor wenigen Tagen, dass es ihm doch gelungen ist, in Ihr Land zu kommen. Von Annerl Zsolnay bekam ich dieser Woche einen Brief aus London und weiss daher positiv, dass sie am 31. August noch am Leben war […] Wir fahren häufig nach Jerusalem und strolchen dort in der alten Stadt herum, haben ziemlich viel und recht netten Verkehr und jeden Herbst bekomme ich eine ziemlich unangenehme Grippe […] Denken Sie noch manchmal an Ihre Dachauer Tage [im Konzentrationslager]? Und wohin ist der Frisch geraten? Vermutlich hat er wie so viele die deutsche Invasion zweimal erlebt. Wie geht es dem Höllenhund? […] Wenn Sie in einem schönen schattigen dichten Wald spazieren gehen, Fahrenkräuter und Schmetterlinge sehen, so denken Sie an mich. Ich gäbe viel darum, noch einmal Waldgeruch zu spüren […]“ – Briefkopf mit eigenh. Eintrag von Paul Elbogen. – Der Nachlaß von Perutz wird seit 1986 im Exilarchiv der Deutschen Bibliothek zu Frankfurt bewahrt. – Minimale Randfehlstellen und -einrisse. – Sehr selten.