Wilhelm II., König von Württemberg (1848-1921).

Eigenhändiger Brief mit Unterschrift „Wilhelm Württemberg“. Bebenhausen bei Tübingen, 16. XII. 1918, 4°. 7 Seiten. Doppelblätter. Bläuliches Papier.

Nicht vorrätig

Beschreibung

Äußerst interessanter und tief bewegter Brief des letzten württembergischen Königs. An seinen Corpsbruder, den Justizrat Kersten in Berlin, über die Abdankung: „[…] Am 30. Okt. war eine kurz vorübergehende Demonstration vor Meinem Hause nach der aufreizenden Rede eines ‚Unabhängigen‘ in einem Lokale der Stadt. Ich wusste damals schon, dass es der Anfang vom Ende war. Dann war alles still vor jenem 9. Nov. In Meinem Zimmer waren eben die neu ernannten sogen. parlamentarischen Minister versammelt, nachdem schon von früh ab riesige Züge mit rothen Fahnen vorüber marschiert waren. Plötzlich sehe ich vom Fenster aus eine 100-köpfige Rotte durch den Vorgarten den Eingang stürmen und erfuhr, sie verlangen die Einziehung Meiner Hausflagge und Hissen der rothen. Ehe ich entgiltigen Bescheid gegen konnte, tathen sie ihren Willen mit Gewalt. Nun war es klar, dass unsres Bleibens nicht war. Ich kann ihnen das Zeugnis ausstellen, dass sie, ohne den geringsten Schaden zu thun, auf Geheiss eines ihrer Führer nach gethaner Arbeit das Haus verliessen und nur 2 A[rbeiter]R[äte] und eine Anzahl S[oldaten]R[äte] vor die Thür stellten. Die Wachen und das sonst bereitgestellte Militair waren sofort übergegangen. Letzteres war das schmerzlichste. Abends verließen wir – für immer – Mein Heim unter dem Schutze des S[oldaten]R[ates], der sich übrigens ganz höflich benahm und versicherte, nur zum Schutze mit zufahren. Seitdem sind wir hier in der Waldes-Einsamkeit in einem kleinen Dorfe, mit treuen, friedlichen Bewohnern und sehen nichts von dem Tumult der Welt, kaum ab und an einen heimkehrenden Truppendurchmarsch von Ferne. – Ich selbst traure nicht um die Krone, habe den alten Namen meines Hauses (Hzg. zu W.) wieder angenommen und lebe als schlichter Privatmann. Auch schied ich ohne Groll und Bitterkeit, denn ich bin reichlich entschädigt durch ungezählte Beweise von persönlicher Liebe und Anhänglichkeit, die mir aus allen Schichten zuströmen, in Stössen von brieflichen Kundgebungen und Besuchen von Leuten, die ich früher gar nicht gekannt; täglich bringen uns, selbst arme Landbewohner Lebensmittel in rührender Weise als Geschenk. Aber um das arme Land traure ich, von dem ich nicht glaube, dass es so viel ‚glücklicher‘ werden wird, wie ihm vorgespiegelt wird und das noch durch viele Trübsal wird hindurchmüssen. […] Ich ging, als letzter und freiwillig, nur weil der Zustand unwürdig geworden war – ich eine Null neben der neuen Regierung. Ich bin meines Wissens auch der einzige, der ein wenigstens anständiges Abgangs-Zeugniss bekommen hat. Der Artikel stand in einem nahezu sozialist. Blatte. Kein Laut persönlicher Kränkung traf mein Ohr; die Menge machte uns willig Platz, als wir abfuhren. Der Abschied von eignen Heim und der Vaterstadt war natürlich herzbewegend, aber was sind die eignen Gefühle und Kümmernisse gegen das Elend, das uns alle, als Deutsche, betroffen hat. Die Neue Regierung zeigt sich recht entgegenkommend; sie will uns hier auf Lebenszeit lassen und stellt uns sicher in materieller Beziehung, sogar alle die vielen Existenzen, die von mir abhingen und um deren Loos mir besonders bangte. Ich rüste mich zum 1ten Male in Meinem Leben, zur Wahlurne zu schreiten, zur Landes- und National-Versammlung. Was sie uns wohl bringen mögen?! […]“ – Beide Blätter mit weitgehendem horizontalen Durchriss.