Beschreibung
An die Journalistin Käthe von Porada (1891-1985) in Paris: „Nun sage ich Ihnen wohl Adieu, chère K., da Sie abreisen. Ich bin ganz verdüstert, weil Sie fortgehen in die unbekannte wilde Welt. Meine Handschrift ist darum ganz krickelig, allerdings auch, weil ich am kl[einen] Finger ein Pflaster habe. Oh Sie! | Danke tausendmal für die Valéry Gedichte. Soviel Mühe für Sie! Ich ersehe aus ihnen alles, was mich interessiert. Mein Instinkt hat wieder recht. Nach ‚Herrn Teste‘ hielt ich nämlich wenig von ihm, jetzt noch weniger. Natürlich nur als Deutscher, d. h. als einer, der mit anderem Sprachmaterial arbeitet, anderes aus der Sprache entwickelt und in sie verlegt. Z. B. arbeitet er viel mit Adjectiven, was ich horrend finde in der Lyrik. Lyrik ist ejaculativ, fast nur Hauptworte, kaum selbst Verben! Dann ist seine Lyrik etwas überraschend und geistvoll, kapriziös und enthüllt eigentlich nur altmodische Seelenrestbestände. Er räumt das Lager noch mal durch. Also alles in Allem niemand, der mich überwältigt. Ich werde weiter darin studieren. Tausend tausend Dank. – Morgen bei der Schillingstrauerfeier muss ich reden. Schreckliche Sache. Mache es kurz und sehr allgemein. ‚Beschwörend‘. Werde es Ihnen schicken. Es reden eine Menge Leute noch ausserdem. Die Witwe bat mich darum. Lust abdafür. Es ist tötliche Stille, im Geschäft, im Privaten, im Telefon, in der Post – wenn Ihre Briefe nicht wären, die blauen, zärtlichen mit der wunderbaren (manchmal schwer zu lesenden) Handschrift! Merkwürdig, wie zwei Menschen, die sich doch kaum, oder wenig kennen, einander in Spannung halten, wenigstens Sie mich. Obschon ich doch, wie gesagt, sehr ‚exact‘ bin. Wie kommt das? Warum heisst eigentlich das Lehmann Buch: ‚Sturz auf die Erde‘? Wer stürzt? Ich kann trotz Ihrer Apologie mein Urteil nicht sehr korrigieren. Natürlich ist die Korrektur bei Wassermeier grossartig, auch vieles im Anfang wunderbar. So, nun wollen Sie nichts mehr hören, Sie haben Reisegedanken. Anbei ein kleines Bild. Alter 1 1/2 Jahre, plötzlich steht es in einer Funkzeitschroft. Die Unterschrift ist ganz blöd. | Adieu, Liebe. | Gute Fahrt. | Wohin soll ich schreiben, falls ich schreiben darf? Ich gedenke Ihrer sanft und treu (und unverteidigt) […]“ – Der erwähnte Roman Valérys ist „La Soirée avec Monsieur Teste“ (1896). – Benn sprach zum Tode des Präsidenten der Akademie der Künste, Max von Schillings. Wilhelm Lehmanns „Der Sturz auf die Erde“ war 1923 erchienen.