Mann, Katia, geb. Pringsheim, Ehefrau Thomas Manns (1883-1980).

Eigenhändiger Brief mit Unterschrift Kilchberg am Zürichsee, 25. III. 1962, Kl.-4°. 6 Seiten auf 3 Blättern. Grau getöntes Büttenpapier. Gedruckter Briefkopf „Frau Thomas Mann“.

Nicht vorrätig

Beschreibung

Höchst wichtiger und umfangreicher Brief an den Kaufmann und Jugendfreund der Pringsheim-Kinder Emil August Fester (1877-1964), der einen langen Erinnerungsbrief an Katia geschrieben hatte: „[…] Ihre Erinnerungen an mein Elternhaus rühren mich natürlich immer sehr. Von der Aufführung des ‚Mikado‘ habe ich in meiner Kindheit noch läuten hören. Später stellte mein Vater noch einmal, aus lauter berühmten Opern, eine Operette zusammen, und am Schluss tauchten wir fünf Kinder in Pierrot Kostümen [vgl. das berühmte Kaulbach-Bild] aus der Versenkung auf und tanzten den Schunkel-Walzer. Leutnant Rummel, der nachmalige berühmte Gustav Waldau, spielte eine Hauptrolle, das Ganze war wohl in der Hauptsache eine Parodie auf den ‚Bajazzo‘ [von Leoncavallo]. – Da wir schon bei Erinnerungen sind, will ich Sie auf zwei kleine Irrtümer in Ihrem Bericht aufmerksam machen. Mein Vater hat nie irgendwelche unerwünschte literarische Produkte durch Aufkaufen unterdrückt. Im ersten Fall handelte es sich um den Roman meiner Großmutter Hedwig Dohm ‚Sibylla Dagmar‘. Dieser spielte in der sogenannten Münchner ‚Gesellschaft‘ und dabei hat die Autorin ganz treuherzig einige an sie gerichtete Briefe meiner Mutter benützt. Gerade die Vermischung von Erfundenem und Wirklichem machte viel böses Blut, und es gab einen gewissen Skandal, der meinem Vater natürlich ärgerlich war. Aber er unternahm nichts dagegen, konnte es wohl auch kaum, und ziemlich bald beruhigten sich die Gemüter. – Der andere Fall ist Thomas Manns Novelle ‚Wälsungenblut‘, auch von diesem ohne viel Bedenken und Rücksicht auf die Realität geschrieben, eine Inzestgeschichte von Zwillingen. Noch ehe die Novelle in der ‚Rundschau‘ erschien, war etwas davon ruchbar geworden, und der Autor zog, als man ihm die möglichen unliebsamen Folgen klar gemacht, die Geschichte sofort zurück, die erst jetzt, nachdem sie schon früher auf Englisch und Französisch erschienen, in die neue Ausgabe ‚Erzählungen‘ aufgenommen wurde. – Übrigens hat mein Zwillings[bruder] Klaus die ganze ‚Wälsungenblut‘-Geschichte kürzlich in der ‚Neuen Zürcher Zeitung‘ erzählt [… Friedrich August von] Kaulbach hat meine Eltern für das Pierrot-Bild wohl nicht überfordert […] in meinem 16. Jahr hat er ein recht schönes Portrait von mir gemalt, ein Geschenk für meine Grosseltern. Leider ist es abhanden gekommen, wir besitzen nur eine Reproduktion davon […] Der Brief ist für meine Verhältnisse schon überlang […]“ – Erstveröffentlichung mit Kommentar und Erforschung der Hintergründe dieses Briefes in: Dirk Heisserer (Hrsg.), Emil August Fester / Katia Mann, ein Briefwechsel. (Erscheinen geplant für 2013 als Bd. IX der Thomas-Mann-Schriftenreihe).